Sonntag, 7. Februar 2010

Shakespeare in Love (John Madden, 1998)

Will Shakespeare (Joseph Fiennes) verliebt sich in die schöne Viola De Lesseps (Gwyneth Paltrow), die in seinem neuen Stück verbotenerweise - Frauen auf den Bühnen Englands verboten - den Romeo geben soll. Gestern wieder mal gesehen, auf VHS! ohne Verzerrungen! Juhuu!, und mich köstlich amüsiert.

Die Stimmung des Elisabethanischen Zeitalters wird mit viel Effekt, wenn auch historisch nicht wirklich exakt, und vor allem mit sehr schönem Humor auf die Leinwand gebracht.

Shakespeare, der Dichter, der nichts auf die Reihe bekommt und sich ständig anhören muss, dass sein Konkurrent Christopher Marlowe der beste Autor des Zeitalters ist, kämpft verbissen darum, ein neues Stück zu Stande zu bringen, verliebt sich, und findet seine Muse wieder. In ausgezeichnet geschriebenen und auch umgesetzten Parallelmontagen vermischt sich der Schreib-und Probenprozess mit dem Leben der Protagonisten, beides wird flüssig voran getrieben.


Ein Aspekt ist mir neben diesen bemerkenswerten Montagen gestern Abend zum ersten Mal aufgefallen, nämlich die Verwendung eines dramentechnischen Kunstgriffs, der auch, bei James Camerons Titanic Anwendung fand.
Der Autor steht vor der Aufgabe, einen sehr komplizierten Sachverhalt auf die Leinwand bringen zu müssen, der nun just auch mit dem emotionalen Höhepunkt am Ende der Story zusammen fallen soll. Es bleibt kein Raum für Exposition, der Zuschauer soll emotional an den Figuren kleben, auf keinen Fall darf nun eine technische Erklärung folgen, aber der Zuschauer darf sich auch nicht denken: Hmm, das Heck der Titanic steht nun aber schon eine ganze Weile senkrecht im Wasser, ist das nicht unrealistisch? Dann könnte Leonardo absaufen oder nicht, den Film würde niemand weiterempfehlen.


Cameron hat - Christian Genzel hat mich übrigens auf diesen Kniff aufmerksam gemacht - die ganze technische Kabbelei an den Anfang seines Drehbuchs gestellt: Wir lernen die Figuren kennen, erfahren, dass die Titanic per U-Boot erkundet werden soll, und bekommen nebenbei in einer Computersimulation erklärt, welche Schritte die Titanic bei ihrem Untergang durchlaufen hat: Hüllenriss - Volllaufen - Auseinanderbrechen - Vorderteil versinkt, Hinterteil stellt sich auf und versinkt später... Und kein Mensch bemerkt mehr den komplexen technischen Hintergrund, der nun ganz selbstverständlich abläuft, während Leonardo und Kate um ihr Leben kämpfen.

Bei Shakespeare in Love verhindert dieser Kunstgriff, dass sich am Ende, als Will und Viola sich auf der Bühne in der Todesszene von Romeo und Julia auch auf der Metaebene ihres realen Lebens verabschieden, der Zuschauer die Frage stellt, was zum Teufel denn hier eigentlich los sei: die Schlusssequenz des Stückes Romeo und Julia wird extrem gerafft auf die Bühne gebracht, parallel montiert mit dem aussichtslosen Höhepunkt der Liebesgeschichte zwischen Will und Viola und angereichert mit einer ganzen Reihe von kleinen Fäden, die nun auf ihre Auflösung hin zusammen laufen.
Warum stolpert nun in dieser äußerst komplexen und hochemotionalen Szene niemand über den Inhalt des Theaterstücks, dessen Ende wir (zumindest im Film) noch nie gesehen haben? Woher weiß der Zuschauer, ohne es wahr zu nehmen, was da vor sich geht, mit Mönche, Apotheker, Scheintod, Tod und wieder Tod, so einfach ist das Ende der Tragödie ja nun auch wieder nicht.

Es wird uns zuvor explizit erzählt. Will kommt nach dem offensichtlichen Scheitern seiner Liebe zu Viola ins Theater und eröffnet den versammelten Darstellern, dass er ein Ende für sein Stück habe. Welches er dann auch Schritt für Schritt erklärt.
In dieser Szene geschehen mehrerlei Dinge zugleich: Erstens ist es eine klare, ruhige und expositorische Szene, in welcher der Zuschauer nach den emotionalen Strapazen, die sich bis dahin aufgetürmt haben, kurz Atem schöpfen kann. Zweitens wird, wie häufig üblich am Ende des zweiten Aktes, Zwischenbilanz gezogen: Was wurde erreicht, was wurde nicht erreicht, wie soll es weiter gehen. Und drittens wird das Problem auf ganz simple Weise gelöst, die Klimax am Ende nicht mit technischen Erklärungen im Moment des emotionalen Höhepunktes zu überlasten.

Ein Lehrstück der Schreibkunst, das man sich mit Gewinn mehrmals ansehen kann.

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